In zehn Stationen durch die Lüneburger Innenstadt ging es beim Walkshop am 1. April 2023 im Rahmen des BUVKO. Unter fachkundiger Führung von Bertram Weisshaar und Tiefbau-Chefin Uta Hesebeck wurde der Fußverkehr in der Altstadt erkundet.
Was den Teilnehmenden besonders gefiel: "Hinter die Kulissen der Bauvorhaben" zu schauen, die Schwierigkeiten bei Bauvorhaben kennenzulernen und aufmerksam zu werden auf die Hürden für den Fußverkehr.
So findet sich neben Lobenswertem auch deutliche Kritik. Denn: "Gut zu Fuß" ist man in Lüneburg nur bedingt.
Gut zu Fuß? – Walkshop durch die Lüneburger Innenstadt
Foto: Lebenshilfe Lüneburg-Hamburg, S. Felleckner. Start des Walkshop am Bahnhof. Bertram Weisshaar bei der Einführung.
Am Samstagnachmittag strömen die Teilnehmenden des Bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongresses BUVKO traditionsgemäß hinaus zu Exkursionen in die Umgebung des Tagungsortes. Was leider auch strömte, war der Regen. Doch das konnte die Expert:innen nicht abhalten.
Die Teilnehmer:innen fuhren mit dem Bus zum Bahnhof. Unterwegs bewerteten sie mit einer kleinen Checkliste den Busverkehr (Bericht bei Lüne-Blog: mehr).
Uta Hesebeck, Fachbereichsleiterin Tiefbau und Grün bei der Hansestadt Lüneburg, und Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar waren als fachliche Begleitung mit auf der Tour. Die Fotos in der folgenden Dokumentation wurden vorher bzw. nachher aufgenommen und zeigen angemerkte Stärken und Schwächen der Route durch Lüneburg.
1. Bahnhof
Treffpunkt und erste Station des Walkshops war der Bahnhof Lüneburg.
Gutes Ankommen: Wo bin ich hier und wie komme ich in die Stadt?
Wer aus dem Bahnhofsgebäude tritt, wird mit dem Blick auf einen schön gestalteten Platz empfangen.
Nur: “Wie komme ich jetzt in die Stadt?”, fragte Bertram Weisshaar. Tatsächlich: Eine Karte, Wegweisung oder Ähnliches für Neuankömmlinge gibt es hier nicht
Information über Busse: Leider fehlerhaft
“Und wie komme ich zu meinem Bus?” Hier findet sich anscheinend Rat: An der Stirnseite des ZOB ist rechts und links eine Übersicht angebracht, wo die verschiedenen Busse ankommen und starten.
Doch leider: Die Angaben sind nicht zuverlässig. Denn nach dem Fahrplanwechsel wurden diese Angaben nicht aktualisiert. Zum Beispiel führt die Linie 5014 seit Dezember 2022 nicht mehr zum Kreideberg, sehr wohl aber die Linie 5008.
Barrierefreier Zugang zum Bahnhofsgebäude: In Arbeit
Die Stadt wünscht sich den Zugang zum Bahnhofsgebäude barrierefrei: Eine Rampe könnte seitlich zum Eingangsportal führen.
Anschaulich erläuterte Frau Hesebeck, zuständig für den Tiefbau bei der Hansestadt Lüneburg, die langwierigen Absprachen und Planungsprozesse, die selbst für diese kleine Umbauten nötig sind und Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen erfordern. Das hängt auch zusammen mit den Besitzverhältnissen: Das Bahnhofsgebäude sowie der gesamte Vorplatz gehören der DB.
In dem Zusammenhang sei hingewiesen: Wer einfach geradeaus weiter und um das Bahnhofsgebäude herum geht, kommt ohne Stufen in die Schalterhalle. Aber das wissen viele Menschen nicht.
2. Lünertorstraße: Gute Querungsmöglichkeiten
Nun nähert man sich der Innenstadt. Die Lünertorstraße ist eine viel genutzte Hauptverbindung zwischen Bahnhof und Altstadt, denn sie führt direkt zum Alten Kran.
Hauptverbindung zur Altstadt: Häufig Reibungen zwischen Fuß- und Radverkehr
Viel Rad- und Fußverkehr – aber wenig Platz dafür, wie Bertram Weisshaar hinwies. Wie man sieht, bietet diese wichtige Wegverbindung teilweise gerade mal gut einen Meter für zu Fuß Gehende.
Vorgegebene Gehwegbreite ist jedoch 2,50 Meter, damit zwei Personen bequem nebeneinander oder aneinander vorbeigehen können.
Ebenfalls zu schmal hier: Der Radweg. Das führt zu ständigen Reibungen zwischen Rad- und Fußverkehr.
3. Altstadt: Kran und Salzstraße am Wasser
Der Eingang zur Altstadt – hier sind viele Gäste, Fuß- und Radverkehr unterwegs, die Gehwege sehr schmal, es geht holprig und langsamer zu. Andere Städte – wie das schöne Schwerin – haben schon längst Tempo-30-Zonen in der gesamten Altstadt eingerichtet.
Solche großflächigeren Lösungen gibt es in Lüneburg noch nicht. Die Stadt arbeitet jedoch aktuell an einem Konzept zur Verkehrsberuhigung im Wasserviertel.
Problem Denkmalschutz
Auffällig in Lüneburg ist das Holperpflaster. Mit Kinderwagen, Trolley, Rollator und Rollstuhl hat man hier ganz schlechte Karten. Der häufig sehr schmale Gehweg hat zwar meist eine glatte Oberfläche. Auch sind die Bordsteinkanten in der Regel abgesenkt.
Doch an Kreuzungen und Einmündungen kommt der “Holperhammer”. Da ist alles mit Rollen und Rädern gekniffen, es gibt keine Furten.
4. Salzstraße am Wasser: Furt für den Radverkehr in Bau
Unter dem groben Pflaster leiden natürlich auch die Radfahrenden. Ganz besonders auf dem Ilmenau-Radweg. Dieser 120 Kilometer lange offizielle Radweg führt durch die Altstadt von Lüneburg an der Ilmenau entlang (Lüneburger Heide: Ilmenau-Radweg). Die Salzstraße am Wasser prunkte dabei mit besonders holprigem Quader-Pflaster. Das führte dazu, dass Radfahrende gern auf den Gehweg auswichen – zur großen Freude der zu Fuß Gehenden …
Das ändert sich jetzt: Auf beiden Straßenseiten ist ein 80 Zentimeter breiter Radfahr-Streifen geplant mit geschnittenem Granit-Großpflaster, das komfortabel zu befahren sind. Wie Frau Hesebeck erläuterte, waren aber auch dieser Maßnahme langwierige Verhandlungen mit vielen Beteiligten vorangegangen. Denn die Straße ist denkmalgeschützt, so Frau Hesebeck, und die langjährigen Verhandlungen mit dem Landesamt für Denkmalpflege haben nun zum Erfolg geführt.
5. Bardowicker Straße: Von der B4 zur Stadtstraße
In der Bardowicker Straße, auf dem Weg zum Markt, kann man einmal eine breite Fußgängerpromenade genießen, wie Frau Hesebeck hinwies.
Kaum vorstellbar, dass hier bis 1968 die B4 durchgeführt hat … und weiter durch die Bäckerstraße! Hier ist jetzt Fußgängerzone und es gibt wahrscheinlich niemanden, der sich diesen Verkehr wieder zurück wünscht. Heute punktet Lüneburg bei Tourismus und Kurzreisen gerade durch das urbane Flair und die Aufenthaltsqualität, die damit gewonnen wurden. Und trotzdem fällt es – heute wie damals – vielen schwer, daraus zu lernen und Konsequenzen für die weitere Stadtentwicklung zu ziehen.
Wermutstropfen: Richtig genießen können zu Fuß Gehende die Breite nur teilweise. Denn angesichts des Holperpflasters sind auch hier häufig Radler:innen unterwegs, die ihre Felgen – und auch die Handgelenke! – auf diese Weise schonen wollen.
6. Markt – Problem Untergrund
Auch der schöne Marktplatz, die gute Stube der Stadt, ist grob gepflastert mit zwei sich kreuzenden Furten. Mehr Barrierefreiheit wäre wünschenswert, aber – wie Frau Hesebeck erläuterte – aus Denkmalschutzgründen wiederum nicht möglich.
Bertram Weisshaar machte darauf aufmerksam, wo sich die Passant:innen bewegen: Das Pflaster betreten die zu Fuß Gehenden kaum, die allermeisten bewegen sich auf den mit ebenen Platten belegten, diagonalen Furten.
In der Großen Bäckerstraße dagegen nehmen sich die Passant:innen gern den Raum und nutzen mit Kinderwagen oder Einkaufstrolleys gerne die ganze Breite der Straße.
7. Glockenhof: Schritte zu mehr Barrierefreiheit
Der Glockenhof ist ein schöner freier Platz mitten in der Stadt. Wie Frau Hesebeck erläuterte, soll er noch qualitätvoller, grüner und barrierefrei erreichbar werden.
8. Am Sande: Der Denkmalschutz lässt grüßen
Der gesamte Straßenraum an diesem zentralen Ort in Lüneburg ist wieder gepflastert. Der Platz wurde erst Ende der 1990-er Jahren so gestaltet, aber dann denkmalgeschützt, wie Frau Hesebeck erläuterte. Das bedeutet: Auch hier enorme Hürden und Verhandlungen, wenn man sich um mehr Barrierefreiheit bemüht.
An verkaufsoffenen Sonntagen oder bei besonderen Events wird der ganze Platz zur Fußgängerzone, hob Frau Hesebeck positiv hervor.
Hier Am Sande halten fast alle Buslinien. Großartig, lobte Bertram Weisshaar: Der Busverkehr führt direkt ins Herz der Stadt – ein Bonus für die Fahrgäste und natürlich auch für die umliegenden Geschäfte!
Da ist es schon sehr zwiespältig, wenn Busgäste an verkaufsoffenen Sonntagen regelmäßig ausgeladen werden – statt gerade sie, die umweltfreundlich in die Stadt kommen, besonders wertzuschätzen.
Lob für die breiten Gehwege
Auch hier gab es großes Lob für die breiten Gehwege und die glatte Oberfläche. Hier lässt es sich gut bummeln.
Allerdings mit Einschränkung: Sie sind teilweise doch sehr zugestellt, was den Vorteil doch wieder zunichte macht. Hier ist wichtig, auf Mindestbreiten zu achten, die freigelassen werden sollen.
Ein Meter Abstand solle gelassen werden zwischen Rückwand der Bushaltestelle und der Gastronomie-Bestuhlung, erklärte eine Angestellte. Da dürfte es sich jedoch wohl eher um einen Irrtum handeln. Denn ein Meter ist an solch einem zentralen Ort mit mehreren Bushaltestellen bei weitem nicht ausreichend.
9. Schießgrabenstraße
Ehemals eine Flaniermeile, zwischendurch eine Bundesstraße, seit dem Bau der Ostumgehung nur noch normale, innerstädtische Straße. In den 90-ern wurde umgebaut und die Fahrbahn verbreitert. Seitdem gibt es auf der Ostseite keinen Radweg mehr.
Und der auf der Westseite ist zu schmal, denn schließlich muss genug Platz für den Parkstreifen sein. Regelmäßig sind hier, trotz Verbotsschild, “Geisterradler” unterwegs.
10. Benutzungspflichtiger Radweg am Lösegraben sorgt für Freude …
Letzte Station des Walkshops war der benutzungspflichtige Fuß- und Radweg entlang am Lösegraben.
Weil es in der Schießgrabenstraße in Nordrichtung keinen Radweg mehr gibt, müssen Radfahrende den abschüssigen, schmalen Weg zum Lösegraben radeln, dann Rücksicht nehmen auf Fußgänger:innen und dürfen dann bei der Scholze-Kreuzung wieder entlang der Stufen hoch auf Straßenniveau schieben.
Hier konnten wir einem Teilnehmer große Freude bereiten. Glücklich erklärte er: “Das hätte ich nicht gedacht: Es gibt noch schlechtere Radwege als bei uns!”
11. Abschluss und Feedback
Hier endete der Walkshop. Was fanden die Teilnehmenden besonders interessant? Einige Rückmeldungen:
- Die Hinweise und Beobachtungen von Bertram Weisshaar
- Die Erläuterungen von Frau Hesebeck, wie aufwendig es sein kann, Veränderungen herbeizuführen
- Die geschichtlichen Bezüge und Verhandlungen mit dem Denkmalschutz, die Schwierigkeiten, die Auflagen einzuhalten
- Lüneburg als Stadt kennenzulernen und hinter die Kulissen der Bauvorhaben schauen zu können.
Vielen Dank an Bertram Weisshaar und Uta Hesebeck für die interessante Führung!